Die hohe Teuerung macht vielen NGO zu schaffen, insbesondere weil öffentliche Verantwortungsträger:innen in Gemeinden, Städten, Kantonen und dem Bund die Teuerung in Leistungsverträgen per 2023 nicht oder nicht vollständig vergüten. Die Löhne unserer Mitarbeitenden werden entsprechend weiter sinken, obwohl die Energie- und Krankenkassenkosten drastisch steigen. Der Preisdruck ist bereits hoch, eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen schadet nicht nur unseren Mitarbeitenden, sie schadet der Qualität unserer Leistungen und damit den Zielgruppen. Dagegen möchten wir etwas tun.
Die Verhandlungen über den Teuerungsausgleich mit Gemeinden, Städten, Kantonen oder dem Bund haben uns veranlasst, uns mit einem offenen Brief an die Verantwortungsträger:innen zu wenden. Die Allianz NGO, bestehend aus über 35 Nichtregierungsorganisationen aus der ganzen Schweiz und die in verschiedenen sozialen Bereichen tätig sind, fordern, dass die Teuerung auch an leistungserbringende NGO vergütet wird, erst recht vor dem Hintergrund steigender Preise und sich verschlechternder Arbeitsbedingungen. Der offene Brief im Wortlaut (das PDF zum Download befindet sich am Ende der Seite):
Wir sind Teil des Service Public: NGO-Allianz fordert Teuerungsausgleich
Sehr geehrte Damen und Herren
Nichtregierungsorganisationen (NGO) erbringen im Auftrag der öffentlichen Hand einen grossen Teil der Leistungen im Sozialbereich. Während öffentlich Angestellte mit einem Teuerungsausgleich rechnen können, wird in der Vergütung der Leistungen von NGO die Teuerung je nach Kanton bisher wenig bis gar nicht berücksichtigt. Die Folgen sind Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen in leistungserbringenden NGO und Einbussen in der Qualität der Leistungen. Die NGO-Allianz fordert einen vollständigen Teuerungsausgleich auf die Leistungsvergütung durch die öffentliche Hand.
Im Auftrag der Gesellschaft
NGO erbringen systemrelevante Leistungen im Auftrag der Gesellschaft: Sie betreuen Menschen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen, sorgen sich um Kinder und Jugendliche oder alte und kranke Menschen, unterstützen die Inklusion von geflüchteten oder beeinträchtigten Menschen, betreuen Armutsbetroffene, bieten Schutz für Opfer von Gewalt oder unterstützen Arbeitssuchende bei der Reintegration in den Arbeitsmarkt. Im Auftrag von Gemeinden, Kantonen oder Bund stellen NGO sicher, dass in der Gesellschaft kein Mensch «durchs Netz fällt». Die Mitarbeitenden von NGO sehen sich gleichzeitig mit immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen konfrontiert, sie leiden unter Stress und krankheitsbedingte Ausfälle nehmen zu.
Steigende Lebenskosten und Kaufkraftverlust
Die aktuell hohe Teuerung und die gleichzeitige Erhöhung der Energie- und Krankenkassenkosten in der gesamten Schweiz erfordern auch in der NGO-Branche eine dringende Anpassung der Löhne um 4 bis 5 Prozent. Die vom Büro BASS im Auftrag von VPOD-NGO durchgeführte Lohnstudie (2022) zeigt: In der NGO-Branche haben sich die Löhne seit der letzten Lohnstudie (2015) kaum entwickelt. Im Verhältnis zur wachsenden Gesamtwirtschaft sind die Reallöhne entsprechend sogar gesunken. Zudem hat eine Verlagerung der Risiken zu Ungunsten der NGO stattgefunden. Deutlich zeigt sich dies im Falle des Teuerungsausgleichs, der von den Auftraggebern nicht oder nicht in vollem Umfang vergütet wird.
Fehlende Reserven und das Gebot der Gemeinnützigkeit
Um als gemeinnützige Organisation anerkannt zu sein, dürfen keine gewinnorientierten Tätigkei-ten ausgeübt werden. Die hohe Abhängigkeit von öffentlicher Finanzierung zwingt den NGO einge-schränkte Spielräume auf und sie können wenig bis gar keine Rücklagen für Krisenzeiten oder So-zialpläne bilden. Leistungsverträge laufen meistens über mehrere Jahre, wobei oft jedes Jahr neu über Finanzierung, Umfang und Inhalt der Leistung verhandelt werden muss. Das finanzielle Risiko wird auf die NGO überwälzt und eine ständige Unsicherheit wird aufrechterhalten. Durch den ste-tigen politischen Druck auf die sozialen Leistungen sind die Tarife eng bemessen und selten kosten-deckend. Der Preisdruck führt dazu, dass die Qualität der Arbeit leidet und es besteht die Gefahr, dass Aufträge nicht wie gewünscht wahrgenommen werden können – was wiederum der Zielgruppe zu Schaden kommt. Die Löhne in der Branche sind im Vergleich zur öffentlichen Hand tief und der Handlungsdruck entsprechend gross. Die Teuerung und die steigenden Energiepreise werden für viele NGO eine Herausforderung und zum Teil eine unüberwindbare Belastung sein. Deshalb ist es zwingend, dass die Teuerung auch in Leistungsvereinbarungen berücksichtigt und den NGO weiter-gegeben wird.
Forderungen:
- Teuerung: In Leistungsvereinbarungen mit NGO soll die Teuerung von 3 bis 5 Prozent ver-gütet werden. Es darf keine doppelten Standards für öffentlich und privat angestellte Mit-arbeitende geben, die alle de facto Teil des Service public sind.
- Lohnentwicklung: Nach jahrelanger Stagnation ist eine Lohnentwicklung in der gemein-nützigen NGO-Branche dringend notwendig, nur so kann der Kaufkraftverlust verhindert und können die Lebenshaltungskosten gedeckt werden.
- Auftragsvergabe: Die Auftraggebenden der öffentlichen Hand (Gemeinden, Kantone, Bund) achten darauf, dass die in Leistungsverträgen berücksichtigten NGO gute Arbeitsbedingun-gen bieten und sich diese infolge Preisdrucks und Wettbewerb nicht verschlechtern.
- Soziale Verantwortung: Die Auftraggebenden der öffentlichen Hand (Gemeinden, Kantone, Bund) erachten gute Arbeitsbedingungen, Nachhaltigkeit und Qualität der Dienstleistung als wichtigste Kriterien bei der Vergabe von Aufträgen.
Wir wissen, dass sich eine Vielzahl von NGO in der geschilderten Situation befindet. Das deutliche Feedback zeigt, dass der Bedarf gross ist. Wir fordern die für Leistungsverträge zuständigen Verant-wortungsträger:innen auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene dringend auf, sich für diese Forderungen einzusetzen und eine unterstützende politische Diskussion dazu zu fördern.
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22.11.2022 | Offener Brief: NGO-Allianz fordert Teuerungsausgleich | PDF (180.6 kB) |
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22.11.2022 | Lettre ouverte : l'alliance des ONG demande une compen-sation du renchérissement | PDF (195.8 kB) |
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22.11.2022 | Lettera aperta: l'Alleanza delle ONG chiede un adeguamento del costo della vita | PDF (172.9 kB) |